Weniger ist (oft) mehr – Was Sie vom Logodesign bekannter Top-Marken lernen können.
Veröffentlicht am 24.06.2021 von DomainFactory
Im Sommer 2020 starb an seinem 91. Geburtstag Milton Glaser, einer der prominentesten Grafikdesigner der Welt, der eines der bekanntesten Logos schuf, das „I love New York“-Logo. Ein paar fett gedruckte Schreibmaschinenbuchstaben und ein rotes Herz – mehr brauchte Glaser nicht, um Ende der 1970er-Jahre den rauen Charme seiner Geburtsstadt für eine Imagekampagne begreifbar zu machen. Für den Bundesstaat New York und nicht etwa für die pulsierende Metropole verknappte er den Slogan „I love New York“ auf den knackigen Claim „I ♥ NY“, womit sich wirklich alles bedrucken ließ, was Souvenirjäger glücklich macht.Trend: Reduziertes Logodesign
Universelle Einfachheit streben auch viele Unternehmen bei ihren Logodesigns an. Für den Aufbau von Marken ist es essenziell, ein Image zu kreieren. Das Logo ist die Botschaft von der Identität der Marke. Der Logo-Trend geht eindeutig zu minimalistischen Logos, die alle unnötigen Extras vermeiden und sich auf ein zentrales Konzept konzentrieren, das klar und eindeutig kommuniziert wird. Der reduzierte Stil zeigt sich in Typografie, Formen und Farben. Auf diese Weise entstehen moderne, scheinbar zeitlose Logos, die besonders für die digitale Kommunikation geeignet sind.
Wir schauen uns die Merkmale minimalistischer Logodesigns von Topmarken ein bisschen genauer an. An welche Gestaltungsprinzipien halten sie sich?
Verwende einfache Formen
Kreis, Rechteck, Dreieck – das sind die Formen für minimalistische Logogestaltung. Unter den Topmarken der deutschen Wirtschaft verwenden beispielsweise Nivea, Bayer und Allianz den Kreis. Am beliebtesten sind bei deutschen Unternehmen Quadrate und Rechtecke: Die Deutsche Bank, BASF, die Telekom und viele mehr verwenden das Quadrat. Die Adidas-Streifen bilden dagegen im Logo des Sportartikelherstellers ein Dreieck. Ein weiteres prominentes Beispiel eines Dreiecks-Logos ist die Bildmarke von Airbnb. Sie besteht aus einem Dreieck mit Schlinge in der Basis, das entfernt an eine Brezel erinnert. Auch Kombinationen einfacher geometrischer Formen sind möglich. Kaufland baut beispielsweise aus Quadraten und Dreiecken im Logo den Buchstaben K. Das aktuelle Logo der Robert Bosch GmbH besteht neben der Wortmarke aus Kreis, Halbkreisen und Rechteck. Die strenge Geometrie dieser dennoch ungewöhnlichen Bildmarke transportiert das Erbe des Unternehmens: Sie steht für eine elektromagnetische Spule.
Verwende einfache Farben
Viele Logos von Topmarken sind in den letzten Jahren farblich reduziert worden. Der Kranich der Lufthansa fliegt seit 2018 nicht mehr vor gelbem Hintergrund. Auch verschwinden Farbverläufe und 3D-Effekte aus den Logos. Gut zu beobachten ist diese Entwicklung in der Historie des BMW-Logos. Mit dem Redesign von 2020 erhält die Marke ein völlig neues Image: weg vom bayerischen Motorenwerk, das luxuriöse, schnelle Wagen für Besserverdienende herstellt, hin zu einem Unternehmen, das bereit ist für moderne Mobilität im digitalen Zeitalter.
Oft werden in der minimalistischen Logogestaltung nur noch eine oder zwei Farben eingesetzt. Das muss aber nicht so sein. Das Logo des Online-Marktplatzes eBay zeigt, wie sich Minimalismus auch mit viel Farbe umsetzen lässt. Jeder Buchstabe der Wortmarke ist in einer anderen einfachen, reinen Farbe gestaltet, die zusammen für die Vielfalt der Angebote stehen.
Finde eine sprechende Schriftart
Wenn alle anderen Elemente zurückgenommen werden, erhält die Wortmarke automatisch mehr Gewicht. Manchmal bleibt sogar nur sie übrig, wie die historische Entwicklung des Siemens-Logos zeigt. Um so wichtiger ist dann die Typografie. Minimalistische Wortmarken verwenden oft schwere, fette Schriftarten. Ein Paradebeispiel ist das Logo des Museum of Modern Art in New York. Häufig zu sehen ist auch die ausschließliche Verwendung von Kleinbuchstaben wie bei eBay, Facebook oder dem skandalträchtig untergegangenen Finanzdienstleister Wirecard. Beide Stilmittel ergeben eine moderne Ästhetik, die perfekt zur jeweiligen Markenidentität passt. Reine Wortmarken wirken traditioneller und klassischer als Bildmarken oder Kombinationen. Sie setzen voll auf die Unverwechselbarkeit des Namenzugs und kommen deshalb sehr selbstbewusst daher.
Nutze den Negativraum
Die Bereiche eines Logos, die frei bleiben, sind manchmal wichtiger als die Bereiche, die mit Formen, Farben oder Buchstaben gefüllt sind. Negativraum kann durch seine Form Informationen transportieren. Das beste Beispiel dafür ist das Logo des Kurier- und Logistikunternehmens FedEx, einer einfachen Wortmarke, die ihre Wirkung durch den Pfeil entwickelt, der im Negativraum zwischen E und x entsteht.
Die Bedeutung von Formen im Negativraum gleicht gelegentlich einer geheimen Botschaft, die es zu entschlüsseln gilt. Ein weiteres Beispiel dieser Art ist das Logo des Online-Dienstes Pinterest: Die Basis des P hat die Anmutung eines Stiftes und vermittelt damit sofort den Eindruck, dass dieser Buchstabe handgeschrieben und die Plattform ein Ort für Kreativität und die Entfaltung der Persönlichkeit ist.
Die Grenzen des „Weniger ist mehr“-Prinzips
Zehn Regeln für die Arbeit und das Leben hinterließ der New Yorker Grafikdesigner Glaser seinen Bewunderern. Eine davon lautet: „Weniger ist nicht notwendigerweise mehr.“ Denn was wäre, argumentiert er, ein Perserteppich ohne seinen Reichtum an Formen und Farben? Auch Gaudis Gebäude oder der Jugendstil setzen das Mantra der Moderne „Weniger ist mehr“ Schachmatt. Er plädiert deshalb für eine Modifizierung des Leitsatzes: „Gerade genug ist mehr.“ Statt auf Biegen und Brechen ein minimalistisches Logo zu entwerfen, sollten wir Designer uns also fragen: Hat mein Logo genau das, was es braucht, um die Identität der Marke zu transportieren? Ist etwas an meiner Gestaltung möglicherweise entbehrlich? Wenn nicht, dann ist es wahrscheinlich gut.
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